Bei Blutübertragungen (Bluttransfusionen) zwischen verschiedenen Menschen beobachtete man früher immer wieder, dass diese manchmal erfolgreich wa-ren, in anderen Fällen jedoch missglückten, was oft den Tod der betreffenden Person zur Folge hatte.
Der österreichische Arzt Karl Landsteiner entdeckte im Jahre 1900 die Ursache des Misserfolgs: Er beob-achtete, dass es bei der Vermischung des Blutes ver-schiedener Personen oft zu einer Agglutination (Verklumpung) des Blutes kommt, die zur Bildung von Blutgerinnseln (Thrombosen) führen kann, wo-durch es zur Verstopfung von Blutgefäßen und da-mit zum Ausfall der Versorgung nachfolgender Ge-webe kam.
Landsteiner konnte zeigen, dass sich das Blut man-cher Personen problemlos vermischen lässt, wäh-rend das Blut anderer Personen bei der Vermi-schung agglutiniert. Er schlussfolgerte daraus, dass es verschiedene Typen von Blut geben muss, sodass immer dann, wenn Blut des gleichen Typs gemischt wird, keine Probleme auftreten, während es beim Vermischen des Blutes verschiedener Typen zur Ag-glutination kommt. Damit ist Landsteiner der erste, der das Blut des Menschen in Blutgruppen einteilte.
Die von Landsteiner zunächst entdeckten Blutgrup-pen sind jene des sogenannten AB0-Systems. Mitt-lerweile sind 34 weitere Blutgruppensysteme aner-kannt, von denen das Rhesus-System bei Bluttrans-fusionen auch stets beachtet werden muss. Der Test zur Bestimmung der Blutgruppen eines Menschen ist in der Durchführung sehr einfach: Er kann mithil-fe eines „Bedside-Tests“ (Test am Krankenbett) erfol-gen, bei dem keine Laboruntersuchungen nötig sind, sondern das Ergebnis unmittelbar abgelesen werden kann. Jeweils ein Tropfen Blut des Menschen wird dabei auf eine speziell präparierte Stelle einer Test-karte aufgebracht. Durch Auswertung der Stellen, an denen es zur Agglutination kommt bzw. an denen sie unterbleibt, kann die Blutgruppe abgeleitet werden.
Die Agglutination des Blutes beruht auf einer Antigen-Antikörper-Reaktion, die mithilfe des Immunsys-tems bewirkt wird. Dieses produziert Antikörper: Proteine, die eigentlich bei der Abwehr von Krankheits-erregern helfen.
Antikörper besitzen jeweils zwei Bindungsstellen, mit denen sie sich an nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip passende Ober-flächenstrukturen von Zellen anlagern können, die man in die-sem Zusammenhang als Antigene bezeichnet.
Da jeder Antikörper zwei gleichartige Antigene binden kann, trägt er dazu bei, dass Viren und Bakterien, deren Antigene zu seinen Bindungsstellen passen, an diesen hängen bleiben; sie werden in ihrer freien Bewegung eingeschränkt und können sich nicht weiter im Körper verbreiten. Da immer mehr der Er-reger verklumpen, bilden sich ganze Haufen aus Erregen und Antikörpern, die von den Makrophagen (Fresszellen) des Im-munsystems als Ganzes aufgenommen und zerstört werden können.
Im Falle der Agglutination des Blutes handelt es sich bei den Antigenen um Oberflächenstrukturen der Zellmembran der Erythrozyten (rote Blutkörperchen); die Antigene befinden sich im Blutplasma (flüssiger Teil des Blutes). Welche Antigene aus-geprägt werden, ist genetisch bedingt. Antikörper bildet das Immunsystem nur solche, die bei den eigenen Antigenen keine Agglutination bewirken können.
Das Gen für die AB0-Blut-gruppe liegt auf Chromo-som Nr. 9. In seinen Kör-perzellen besitzt jeder Mensch daher zwei Allele für die Ausbildung der Antigene. Die Allele A und B bewirken jeweils die Ausbildung eines eigenen Antigentyps. Das Allel 0 führt nicht zur Ausbil-dung von Antigenen; es ist somit gegenüber den Allelen A und B rezessiv. Die Allele A und B führen im heterozygoten Fall zur Ausbildung der Antigene A und B – sie sind kodo-minant. Liegen für ein Gen mehr als zwei Allel-typen vor (hier: A, B, 0), spricht man von multi-pler Allelie.
Aufgrund der Tatsache, dass es sich bei der Blutgruppe um ein erbliches Merkmal handelt, dessen Phänotyp leicht bestimmt werden kann, spielt der Vergleich der Blutgruppen im Zusammenhang mit Abstammungs-gutachten („Vaterschaftstest“) nach wie vor eine wichtige Rolle. Hierzu werden die Blutgruppen der Mutter, des Kindes und des fraglichen Vaters bestimmt. In manchen Fällen kann bereits auf diese Weise eine Vater-schaft des betreffenden Mannes zwingend ausgeschlossen werden.
Im Jahre 1940 gelang Karl Landsteiner und Alexander Wiener die Entdeckung eines weiteren Blutgruppensystems. Da für die Experimente Erythrozyten von Rhesusaffen verwendet wurden, nennt man es das Rhesus-System.
Wie das AB0-System beruht auch das Rhesus-System auf der Existenz eines Antigens in der Membran der Erythrozyten, das hier Antigen D genannt wird. Die Erythrozytenmembran rhe-sus-positiver Personen (Rh+) besitzt dieses Antigen, bei rhe-sus-negativen Personen (rh–) ist es dort nicht vorhanden.
Das Gen für den Rhesusfaktor liegt auf Chromosom Nr. 1 – jeder Mensch besitzt hier also zwei Allele. Da nur dann kein Antigen D produziert werden kann, wenn beide Allele mutiert sind, und es somit genügt, ein einzelnes intaktes Allel zu besit-zen, um das Antigen D synthetisieren zu können, liegt ein do-minant-rezessiver Erbgang vor: D = Rh+, d = rh–.
Der Rhesusfaktor bei Blutübertragungen. Anders als bei der AB0-Blutgruppe besitzen auch rhesus-ne-gative Personen zunächst keine Antikörper gegen das Antigen D. Gelangen jedoch Erythrozyten mit diesem Antigen in den Blutkreislauf dieser Personen, so stellt das Immunsystem als Antwort auf die als „fremd“ erkannten Antigene nun Antikörper her, die nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip an das Antigen D bin-den und somit zur Agglutination entsprechender Ery-throzyten führen können. Daher ist es bei Bluttrans-fusionen wichtig, nicht nur die AB0-Blutgruppe, son-dern auch den Rhesusfaktor zu bestimmen.
Der Rhesusfaktor in der Schwangerschaft. Eine besondere Komplikation kann auftreten, wenn eine rhesus-negative Frau ein rhesus-positives Kind zur Welt bringt, denn die Erythrozyten des Kindes be-sitzen das Antigen D und können somit beim Im-munsystem der Frau die Herstellung von Antikör-pern Anti-D auslösen. Während der Schwangerschaft wird durch die sogenannte Plazentaschranke der Übertritt von Erythrozyten des Kindes in den Blut-kreislauf der Mutter mehr oder weniger vollständig verhindert; bei der Geburt kann dieser jedoch mit geringen Mengen des kindlichen Blutes in Kontakt kommen. Wenn das Immunsystem der Mutter da-raufhin Anti-D-Antikörper bildet, so befinden sich diese fortan in ihrem Blutplasma. Bei einer weiteren Schwangerschaft mit einem erneut rhesus-positiven Kind können diese Antikörper in dessen Kreislauf übertreten und dort zu Agglutinationen führen – eine Blutarmut (Anämie), schwere Entwicklungsstörun-gen oder gar der Tod des Kindes können die Folge sein.
Die medizinische Gegenmaßnahme gegen dieses Phänomen wird als Anti-D-Prophylaxe bezeichnet. Rhesus-negative Mütter erhalten in der 28. Schwan-gerschaftswoche sowie kurz nach der Geburt eine In-jektion einer hochkonzentrierten Lösung von Anti-D-Antikörpern. Diese agglutinieren sämtliche mögli-cherweise in den Kreislauf der Mutter eingedrunge-nen Erythrozyten des rhesus-positiven Kindes, so-dass die Bildung eigener Anti-D-Antikörper durch das Immunsystem der Mutter unterbleibt.
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